nach„Verantwortungseigentum“ – diese neue Idee der generationsübergreifenden Unternehmensfortführung wird zurzeit besonders angeregt diskutiert. Bloße Verwaltung eines Lebenswerkes oder eine innovative, neue Form der Unternehmensnachfolge? Was genau steckt für Familienunternehmer dahinter?

In einem spannenden Interview berichtet der auf Stiftungskonzepte für Unternehmerfamilien spezialisierte Rechtsanwalt und Steuerberater Thorsten Klinkner über die wichtigsten Rahmenbedingungen für Verantwortungseigentum.

Unternehmensnachfolge in Verantwortungseigentum?

CJ: Herr Klinkner, Sie sind Rechtsanwalt, Steuerberater und Stiftungsexperte. Was war Ihr erster Impuls, als Sie von der Idee des „Verantwortungseigentums“ hörten?

TK: Das „Verantwortungseigentum“ ist grundsätzlich eine gute Initiative und belebt die Diskussion. Zwar wird die vorgeschlagene GmbH in Verantwortungseigentum (GmbH-VE) mit stichhaltigen Argumenten kritisiert. Unabhängig von dieser Kritik an einer neuen Rechtsform, denken und handeln nach meiner Erfahrung immer mehr Familienunternehmer in die Richtung, die Kern der Idee eines Verantwortungseigentums ist: Es geht um den Erhalt und die Fortführung des Unternehmens, um Lebenswerke und Arbeitsplätze zu erhalten und zugleich den Kunden die Sicherheit eines langfristigen Vertragspartners zu geben.

Wir beraten aktuell 3 Unternehmerfamilien bei der Umsetzung dieser Idee. Die Bandbreite der rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten lässt das auch heute bereits zu. Zum Beispiel mit einer Unternehmensstiftung und einer darauf abgestimmten GmbH. Mit diesen beiden Rechtsformen in Kombination lassen sich alle Themen zielgenau regeln, die unter dem Begriff Verantwortungseigentum diskutiert werden.

Thorsten Klinkner: „Verantwortungseigentum wird bereits vielfach in der Praxis gelebt“

CJ: Warum sind beide Rechtsformen – die Stiftung und die GmbH – erforderlich? Was hat die eine, was die Andere für das „Verantwortungseigentum“ nicht hat?

TK: Ein neue GmbH in „Verantwortungseigentum“ wird als Initiative des Gesetzgebers gefordert, um ein Unternehmen zu schaffen, dessen Gewinne nicht einer Privatperson (dem Gesellschafter) zufließen, sondern – dauerhaft und unveränderlich – dem Unternehmen dienen. Zugespitzt formuliert: Die Mitarbeiter des Unternehmens sollen nicht arbeiten und Gewinn erzielen, damit Einzelpersonen sich letztlich mit diesem Gewinn bereichern.
Diese Denkweise einer Bereicherung aus dem Unternehmen oder gar zu Lasten des Unternehmens ist jedoch nach meiner Erfahrung der höchst seltene Ausnahmefall bei einem Familienunternehmen. Im Gegenteil: Die mir bekannten Unternehmerfamilien tragen vielfach hohe wirtschaftliche Risiken und Verantwortung und engagieren sich zudem zeitlich stark für das Unternehmen. Gewinnausschüttungen stehen hier nicht im Vordergrund. Familienmitglieder, die im Unternehmen arbeiten, erhalten eine leistungsgerechte Vergütung. Auf diese Weise wird „Verantwortungseigentum“ bereits vielfach in der Praxis gelebt, auch ohne es so zu benennen.
Die Zielsetzung vieler Unternehmerfamilien besteht nun darin, diese gelebte Praxis zu systematisieren und einen Ordnungsrahmen für die Zukunft zu gestalten. Wer auf diese Weise sein Unternehmerverständnis in einer langfristig tragfähigen Struktur fortführen will, kann dies – schon heute – mit einer Unternehmensstiftung tun, die die Anteile an der operativen GmbH (oder KG oder AG) als stabiler Gesellschafter hält. Die Unternehmensstiftung bildet das „Dach“ und verankert die DNA des Unternehmens, nach dem individuellen Willen des Stifters. Ihr Zweck ist die Fortführung des Unternehmens und der Erhalt der Arbeitsplätze. Die Gewinne dienen weiterhin der Unternehmensentwicklung. Wer dies möchte, kann dies auch mit entsprechenden Satzungsregeln unveränderbar ausgestalten.

CJ: Das heißt der Unterschied zur klassischen Stiftung besteht darin, dass die Unternehmensstiftung keine familiären Zwecke hat? Und die klassische GmbH benötigt für die Umsetzung des Verantwortungseigentums das Dach der Unternehmensstiftung?

TK: Richtig. Eine reine Unternehmensstiftung hat – anders als eine Familienstiftung – keine familiären Zwecke. Die klassische GmbH hat – unmittelbar oder mittelbar – eine oder mehrere natürliche Personen als Gesellschafter. Diesen Personen fließt letztlich der Gewinn zu, soweit er ausgeschüttet wird.
Die Unternehmensstiftung trennt das Unternehmen vom privaten Bereich. Die Stiftung ist ein eigenständiges, gesondertes Vermögen, ohne Eigentümer oder Gesellschafter. Auch wenn es zunächst seltsam klingt: Die Stiftung gehört nur sich selbst. Je nach der Zielsetzung des Stifters oder der Stifterin verhindert sie damit eine Zerschlagung durch Teilverkauf, eine Zersplitterung in der privaten Erbfolge oder eine wesentliche Änderung des Geschäftsmodells zu Lasten der bisherigen Unternehmenskultur. Das Unternehmen wird gestärkt, um Arbeitsplätze zu erhalten und Produkte und Dienstleistungen weiter zu entwickeln. Das ist Verantwortungseigentum in Reinkultur.

Reaktionen auf Verantwortungseigentum

CJ: Wenn ein rechtlicher und steuerlicher Rahmen bereits gegeben ist – woran liegt es, dass die Reaktionen auf das Verantwortungseigentum durchaus gespalten waren? So befürchten DIE FAMILIENUNTERNEHMER, dass der Unternehmer hierdurch zu einem Verwalter seines Lebenswerkes degradiert wird.

TK: Die Problematik ist die Aufklärungsarbeit hierzu in die Unternehmerschaft. Kein Unternehmer will „Verwalter“ sein. Er wird es auch in einem stiftungsverbundenen Unternehmen nicht, wenn die Satzungen sinnvoll ausgestaltet sind. Ein Unternehmen, das bloß noch „verwaltet“ wird, ist tot. Ich kenne zahlreiche Vollblutunternehmer, die gerade unter dem Dach einer Stiftung das Unternehmen sehr erfolgreich entwickeln. Jedoch besteht leider noch immer eine dicke Mauer unzutreffender Meinungen und Vorbehalte in Richtung „glückliche Enteignung“ „Kontrollverlust“ etc. sowie die Abwehrhaltung vieler Berater, einen Spezialisten hinzuziehen. Das verhindert letztlich, die Optionen im Einzelfall sorgfältig zu betrachten. Insoweit ist die Initiative nach einem „Verantwortungseigentum“ eine sehr gute Chance, die bestehenden Möglichkeiten deutlich zu machen. Genau das, was wir gerade mit diesem Gespräch tun.

CJ: In meiner Arbeit mit Familienunternehmern stoße ich noch regelmäßig auf das vermeintliche Vorurteil, dass eine Stiftung als Rechtsform für die interne Unternehmensnachfolge nur als Notlösung in Frage kommt. Nämlich dann, wenn sich die Familien nicht auf eine andere Nachfolgeregelung verständigen kann. Kennen Sie diese Überzeugung auch und wie reagieren Sie darauf?

TK: Ja, ich kenne diese Meinung. Das ist genauso, wenn Sie eine GmbH kennen, die gegründet wurde, um einen Autohandel zu betreiben. Und dann schließen Sie daraus, dass eine GmbH „immer“ einen Autohandel betreibt. Das ist offensichtlicher Unsinn. Genau die gleiche Qualität haben Aussagen, „die“ Stiftung sei nur eine Notlösung oder sei nur sinnvoll, um Kinder zu enterben oder die Scheidung vorzubereiten. Stiftungsvermögen ist vom privaten Eigentum getrennt. Das ist der Kern. Von diesem Ausgangspunkt kann man eine Stiftung u.a. errichten, um aus den Erträgen gemeinnützige Zwecke zu verwirklichen, die Familie zu fördern oder ein Unternehmen fortzuführen, oder eine Kombination daraus. Als Rechtsform ist die Stiftung neutral. Entscheidend ist der individuelle Zweck.

CJ: Was meinen Sie, woher diese bestehenden Überzeugungen stammen? Was hat den Stiftungen dieses „Image“ gegeben?

TK: Derartige Überzeugungen entstehen, wenn ein – prominentes – Beispiel genutzt wird, um daraus generelle Schlussfolgerungen zu ziehen, die dann allgemein und immer für jede Stiftung gelten. Dann sind alle Stiftungen „groß“, „kompliziert“, „haben Probleme mit Niedrigzinsen“, „dienen der Trickserei“, sind „Steuersparmodelle“ oder bereiten eben die Scheidung vor.
Eine Stiftung ist nicht mehr und nicht weniger als eine Rechtsform. Wie bei jeder anderen Rechtsform auch: Entscheidend sind Motive und Ziele. Als Berater kann ich dann darüber nachdenken, welche Zielsetzung ich begleiten möchte und wozu ich nicht zur Verfügung stehe.

CJ: Glauben Sie, dass es durch die aktuelle Diskussion um das Verantwortungseigentum zu einem neuen Verständnis der Stiftung kommen könnte?

TK: Ich vermute, dass es diejenigen stärken wird, die als Stifter-Unternehmer verantwortungsbewusst handeln. Und gleichzeitig wird es auch weiterhin reichlich Gelegenheit geben, „die“ Stiftung pauschal und sachlich unzutreffend generell abzulehnen. Jeder sieht eben die Welt durch seine Brille. Und „Recht-Haben“ ist eine äußerst starke Motivation.

CJ: Könnte das auch eine Frage der verschiedenen Generationen sein?

TK: In früheren Generationen wurden bestimmte Möglichkeiten erst gar nicht diskutiert. Es war z.B. klar, dass der älteste Sohn das Unternehmen übernimmt. Heute wird – zum Glück – die Vielfalt zugelassen und individuelle Lebensmodelle werden akzeptiert. Das führt zu einer größeren Bandbreite der Zielsetzungen auf der Gesellschafterebene. Zugleich sind viele Familienunternehmen nach dem Zweiten Weltkrieg derart gewachsen, dass Sie weder von einer Privatperson gekauft werden können, noch ein Zufluss der erwirtschafteten Gewinne an einige wenige (junge) Gesellschafter Sinn ergibt. Fast alle Familien, mit denen ich spreche, sind sich darin einig, dass ein derartiger Zufluss in das Privatvermögen mehr schaden als nutzen würde, einschließlich der „nächsten Generation“.

Es besteht daher mehr Vielfalt auf der familiären Seite und zugleich mehr Komplexität auf der unternehmerischen Ebene.
Eine Stiftung zwischen Familie und Unternehmen ist eine große Chance für Klarheit und Stabilität und vor allem für die Zufriedenheit aller Beteiligten. 

CJ: Herr Klinkner, ich danke Ihnen sehr für das Gespräch.

 

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