Erbstreitigkeiten können den Familienfrieden gefährden – hier helfen folgende sechs Tipps für Unternehmerfamilien.

Für viele Unternehmer ist der Tod nach wie vor ein Tabuthema. Denn das würde ja bedeuten, sich mit der eigenen Endlichkeit auseinandersetzen zu müssen. Das mag erstmal niemand. Und es passt oft auch nicht zur Agilität und zum Tatendrang, wie sie Firmeninhabern oft zu eigen ist.

Aus diesen Gründen scheuen Unternehmer oft das offene Gespräch mit ihren Nachfolgern. Doch Offenheit und Transparenz sind auch auf dieser Ebene der Nachfolgeregelung wichtig. Sie können das Verständnis für Entscheidungen erhöhen und Gefühle wie Missgunst reduzieren und auf diese Weise helfen, Erbstreitigkeiten zu vermeiden und den Familienfrieden zu wahren.

Warum ist Erben ein so heikles Thema für den Familienfrieden?

Eine Erbschaft ist nicht einfach gleichzusetzen mit einer Geldzuwendung. In meinem Interview mit dem Psychologen Bernd LeMar beschrieb er, wie es insbesondere in Unternehmerfamilien beim Erben zu einer Verwechslung von Geld und Liebe kommen kann. 

Gerade weil sich in Familienunternehmen vieles um Geld dreht, kann bei den Nachfolgern der Eindruck entstehen, die Firma sei den Eltern stets wichtiger gewesen als deren Liebe zu den eigenen Kindern. Erschwerend kommt hin, dass manche Unternehmer zu Lebzeiten ihre Abwesenheit von zu Hause durch finanzielle Zuwendungen kompensieren wollten.

So kann sich im Unterbewusstsein der Nachfolger eine Verknüpfung von Vermögen und Liebe entwickelt haben. Tritt der Erbfall ein, wird die Erbschaft aufgrund dieser „Historie“ auf der emotionalen Ebene zu einem Ausdruck von Liebe und Anerkennung – oder eben von Ablehnung. Und wenn dann das Erbe aus unternehmerischen Gründen ungleich an die Nachfolger verteilt werden soll, kann das schnell den Familienfrieden gefährden und zu Erbstreitigkeiten führen.

Der Familienfrieden ist in so einem Fall vor allem dann in Gefahr, wenn es für die Erben keine Gelegenheit mehr gibt, vom Erblasser selbst zu erfahren, was ihn denn zur Erbverteilung bewogen hat. Alte, vielleicht über Generationen schlummernde Auseinandersetzungen kochen dann wieder auf. Es kommt zu Stellvertreterkonflikten zulasten des Familienfriedens.

Erbstreitigkeiten: Was Sie beim Vererben alles falsch machen können

Erben ist eine emotionale Angelegenheit. Es ist daher wichtig, sich bewusst zu machen, welche Aspekte im Erbfall für die Familienmitglieder besonders sensibel sind.

Vor allem, wenn im Vorfeld nicht offen darüber gesprochen wurde, können folgende Konstellationen den Familienfrieden akut gefährden:

Wenn das Erbe dem Gesetz überlassen wird

Obwohl es Familienunternehmer und Familienunternehmerinnen längst besser wissen müssten, geschieht es immer wieder, dass sie kein Testament aufgesetzt haben. Das ist aus unternehmerischer Sicht sehr fahrlässig, weil das gesetzliche Erbrecht in der Regel nicht den familienunternehmerischen Interessen entspricht. 

Es gefährdet aber auch den Familienfrieden, da die Nicht-Regelung im Zweifel mehr Fragen offen lässt als dass sie welche löst. Die Familienangehörigen sind dann oft überfordert, weil Ihnen Vorgaben im Hinblick auf die Fortführung des Unternehmens fehlen.

Wenn das jüngste Kind bevorzugt wird

Gerade Nachzügler-Kinder werden oft sowohl emotional – als das Baby der Familie – als auch materiell bevorzugt.

Die Eltern leben bei der Geburt des letzten Kindes meistens schon in besseren Einkommensverhältnissen als bei der Geburt des ersten Kindes. Davon profitieren oft die Nesthäkchen der Familie. Tritt der Erbfall ein, können alte, gefühlte Ungleichbehandlungen der älteren Geschwister wieder aufleben.

Wenn es vorab Zuwendungen gab und diese verschwiegen werden

Manchmal wollen sich Eltern einem Kind gegenüber besonders dankbar zeigen oder sie wollen ein vermeintlich bedürftiges Kind extra unterstützen.

Generell können Eltern natürlich frei über ihr Vermögen verfügen. Sie stabilisieren jedoch den Familienfrieden, wenn sie auch in diesen Fällen den offenen Austausch mit allen Kindern wahrnehmen, so dass es zu keinen anklagenden Fragen wie: „Warum meine Geschwister und ich nicht?“ innerhalb der Familie kommen wird.

Wenn der Todesfall zum Tabuthema gemacht wird

Es ist für die Kinder problematisch genug, sich mit dem Tod der eigenen Eltern zu beschäftigen und es ist für sie heikel, dieses Thema selbst anzusprechen. Sollten die Eltern das dann auch noch als „geldgierig“ empfinden, steckt meistens die eigene Tabuisierung oder ein schlechtes Gewissen dahinter.

Doch wenn sie erwachsen sind und größere Vermögenswerte und mehrere Geschwister existieren, dann ist es sogar sinnvoll, dass die Kinder das Gespräch suchen und sich respektvoll nach der geplanten Vermögensnachfolge bei den Eltern erkundigen.

Wenn Erben zum Pflichtteil gedrängt werden

Wird ein Familienmitglied testamentarisch enterbt, ohne dass ihm die Gründe dafür bekannt sind, wird es geradezu genötigt, den eigenen Pflichtteilsanspruch geltend zu machen, um eine Art Wiedergutmachung zu erfahren.

Pflichtteilsansprüche geltend zu machen hat allerdings fast immer auch familiäre Spannungen und Auseinandersetzungen zur Folge. Das kommt dann vieles zusammen: Verletzungen, vermeintliche Geldgier und Undankbarkeit sind da nur die Spitze des Eisberges. Erbstreitigkeiten sind unvermeidbar, der Familienfrieden in Gefahr.

 

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Wie Sie den Familienfrieden wieder herstellen: 6 Tipps, um einen Erbstreit zu beenden

Das Wahren des Familienfriedens ist auch im Erbfall möglich, wenn zu Lebzeiten bereits ein offener Austausch über die Vermögensnachfolge stattgefunden hat.

Ist das nicht der Fall und kommt es zum Erbstreit, helfen Ihnen die folgenden sechs Tipps, um den Familienfrieden wiederherzustellen.

Hören Sie sich die Bedürfnisse der anderen Familienmitglieder an.

Gerade bei sensiblen Themen wie dem Erben ist es für die Wahrung des Familienfriedens wichtig zu verstehen, dass es kein „richtig“ und kein „falsch“ gibt. Es geht nicht ums Gewinnen, sondern um gegenseitiges Verstehen.

Jedes Familienmitglied sollte die Gelegenheit haben, seine eigenen Bedürfnisse und Ansichten äußern zu können. Diese innere Haltung ist wichtig, um eine für alle passende Lösung finden zu können. 

Seien Sie kompromissbereit.

Zur Bereitschaft des gegenseitigen Zuhörens gehört auch die Bereitschaft, Kompromisse einzugehen. Ein Dialog mit dem Ziel, die Interessen beider Seiten zu verstehen, ist der Schlüssel, um Erbstreitigkeiten abzuwenden und den Familienfrieden wiederherzustellen.

Seien Sie ehrlich und offen. 

Um den Familienfrieden wiederherzustellen, spielen Offenheit und Ehrlichkeit eine wichtige Rolle. Es sollte ein Rahmen geschaffen werden, indem sich jedes Familienmitglied traut, alles zu sagen, was ihm oder ihr ein Anliegen ist.

Wird etwas zurückgehalten, wird sich das langfristig negativ auf den Familienfrieden auswirken, weil ungeklärte Themen die Gewohnheit haben, an anderer Stelle wieder aufzutauchen. Können Sie den Rahmen als Familie nicht schaffen, weil die Emotionen zu schnell zu hoch kochen, suchen Sie sich eine moderierende Unterstützung.

Seien Sie bereit, zu vergeben. 

Gerade in Familienkonflikten können die Emotionen schnell hochkochen und es fallen Worte, die unangemessen oder sogar verletzend sind. Seien Sie bereit, diese nicht auf die Goldwaage zu legen, wenn Ihr Gegenüber seine Worte bereut. 

Seien Sie als gesamte Familie bereit, die Vergangenheit abzuschließen und nach vorne zu schauen. Was geschehen ist, kann nicht mehr ungeschehen gemacht werden. Stellen Sie Familienfrieden durch Vergebung her.

Treffen Sie sich an einem unbelasteten Ort. 

Wählen Sie für Ihre Gespräche einen neutralen Ort, an dem sich alle Beteiligten wohlfühlen und der eine konstruktive Atmosphäre ausstrahlt. Das fördert das Miteinander. 

Unterschätzen Sie diesen Punkt nicht, denn die Wahl des Ortes sagt auch etwas über Ihre Wertschätzung für das Thema und die anwesenden Personen aus.

Schaffen Sie Verbindlichkeit für den Familienfrieden.

Wenn es darum geht, einen Familienstreit beizulegen, ist es wichtig, eine verbindliche Lösung zu finden, die für alle Familienmitglieder verständlich und letztendlich akzeptabel ist. Die Akzeptanz ist der letzte Schritt, um den Familienfrieden wiederherzustellen.

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