Die zwischenmenschliche Kommunikation nimmt in Unternehmerfamilien einen herausragenden Stellenwert ein, insbesondere, wenn die Generationen im Unternehmen zusammenarbeiten. Worauf zu achten ist, und warum es unmöglich ist, nicht zu kommunizieren, erfahren Sie in meinem Interview mit meiner Kollegin und Kommunikations-Expertin Susanne Dahncke.

Carola Jungwirth: Susanne, der Schwerpunkt deiner Arbeit mit Unternehmerfamilien ist die zwischenmenschliche Dynamik. Du sagst, die Herausforderungen im Miteinander für Unternehmerfamilien sind insgesamt sehr ähnlich. Stets geht es darum, sich mit viel Klarheit und Bewusstheit über die verschiedenen Systeme und auch über die eigenen Gefühle und Empfindungen zu begegnen.

Susanne Dahncke: Ja richtig. Ich habe das auch selbst als Mitglied einer Unternehmerfamilie erlebt und kann mich noch gut erinnern, wie herausfordernd ich das als Unternehmertochter empfand. Erst über die Jahre haben wir als Familie gelernt, mehr Klarheit in unseren Austausch zu bringen

Susanne Dahncke: Es geht darum, Dialogkompetenz zu erwerben

Carola Jungwirth: Was ist DAS zentrale Element von Kommunikation für Dich?

Susanne Dahncke: Meines Erachtens geht es darum, Dialogkompetenz zu erwerben. Es geht darum, sich selber besser zu verstehen und damit auch das Gegenüber. Damit können Kommunikations-Muster unterbrochen und neu aufgesetzt werden.

Carola Jungwirth: Was genau verstehst Du unter Dialogkompetenz?

Susanne Dahncke: Darunter verstehe ich vor allem das aktive Auseinandersetzen mit dem Gegenüber. Das wiederum beinhaltet für mich, dass sich die Familienmitglieder bewusst gegenseitig zuhören, so dass zwischen den Worten etwas Neues entstehen kann und sie damit Anschlussfähigkeit zueinander herstellen können.

Carola Jungwirth: Wie können Unternehmerfamilien eine solche Dialogkompetenz erwerben?

Susanne Dahncke. In meinen Coachings unterscheide ich dafür zwei Ebenen. Auf der ersten Ebene geht es um ein bewussteres Kommunikationsverhalten bei der Bearbeitung ihrer Themen. So rege ich dazu an, im Gespräch in ICH-Botschaften zu kommunizieren, auf Vorwürfe zu verzichten und eine fragende Grundhaltung einzunehmen, also dem eigenen Verstehen zu folgen, bis wirklich verstanden wurde, was das Gegenüber ausdrücken wollte. Das machen Unternehmerfamilien nämlich oft nicht. Da wird dann gedacht, dass man ja weiß, was der Gegenüber meint. Ich empfehle, auf Wertungen zu verzichten und in ein aktives Zuhören überzugehen. Das heißt, so lange beim Anderen zu verweilen, bis seine oder ihre Botschaft wirklich klar ist und nicht bereits über die eigene Antwort nachzudenken, während noch gesprochen wird. Auf diese Art zu kommunizieren, entschleunigt den gesamten Dialog, bringt Klarheit und entspannt die Beteiligten.

Carola Jungwirth: Wie sind deine Erfahrungen in der Praxis damit?

Susanne Dahncke: Das ist sehr wirkungsvoll. Die Familien entwickeln sich gemeinsam weiter und sind oft am Ende der Coaching-Sitzungen sehr stolz, wie sie ihre Kommunikation neu meistern. Wir reflektieren dies im Check-Out ganz bewusst: Was ist heute gut gelungen? Was kann in Zukunft noch besser gehen?

Carola Jungwirth: Funktioniert das denn mit gestandenen Unternehmerpersönlichkeiten? Meine Erfahrung ist durchaus, dass diese durch ihre Position und ihr Selbstverständnis auch „frei Schnauze“ sprechen. Welche Hebel nutzt du da, um das Kommunikationsbewusstsein noch mehr zu schärfen?

Susanne Dahncke: Die Senioren bringen ihre Hebel selber mit in das Coaching, das sind nämlich ihre Kinder. Sie sind es, die ein neues Kommunikationsverhalten einfordern. Wenn die Familie sich dann darauf einlässt und die Erfahrung macht, dass sie sich besser verstehen und weiter kommen, dann merkt auch die Senior-Generation, dass diese Art der Kommunikation sinnvoll und förderlich ist.

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„Man kann nicht nicht kommunizieren“

Carola Jungwirth: Du sprachst vorhin von zwei Ebenen, auf denen du mit den Unternehmerfamilien am Kommunikationsverhalten arbeitest. Wie sieht die zweite Ebene aus?

Susanne Dahncke: Die zweite Ebene ist mehr theoretischer Natur. Da geht es um die Vermittlung von Kommunikations-Know-How. Entweder auf Wunsch der Unternehmerfamilie, oder manchmal auch auf meinen Rat hin.

Carola Jungwirth: Was passiert auf dieser Ebene?

Susanne Dahncke: Hier steigen wir etwas tiefer in die Thematik ein. Es geht darum, sich den Zusammenhang von Bewusstsein und Unterbewusstsein zu vergegenwärtigen, die eigenen blinden Flecken in der Kommunikation aufzuspüren und sich die Art des Sprechens und Zuhörens noch bewusster zu machen. Das sind Grundpfeiler eines neuen Denk- und Kommunikationsmusters, das die Mitglieder einer Unternehmerfamilie auf Wunsch bei mir erlernen und trainieren können.

In diesen Trainings gibt es viele Aha-Momente beim Erkennen der Zusammenhänge. Wenn die Familienmitglieder zum Beispiel verstehen, dass 80 % der Kommunikation zwischen Menschen auf der Beziehungsebene abläuft und wie wichtig es daher ist, sich über die Beziehung zum anderen klar zu sein. Und wir gehen gemeinsam auf die Metaebene. Das sieht dann in etwa so aus: Zunächst ist da das Innere – die Wahrnehmung der eigenen Empfindungen und Gefühle in besonders anspruchsvollen Kommunikationssituationen. Und dann ist da das Außen, nämlich die Art, wie ich diese Wahrnehmungen in Kontakt mit meinen Mitmenschen bringe. In gemeinsamen Reflexionen beleuchten wir dies und die Familienmitglieder tauschen miteinander aus, wie es ihnen in schwierigen Kommunikationssituationen ergangen ist. Wenn diese Erkenntnisse geteilt werden, lernen alle voneinander und es entsteht eine ganz andere Form von Nähe.

Carola Jungwirth: Nähe kann ja aber auch Angst erzeugen. Gerade in Unternehmerfamilien. Wie ist Deine Erfahrung damit?

Susanne Dahncke: Das ist richtig. Mir ist es daher wichtig, einen geschützten Raum anzubieten, in dem die Familie sich auf diese Art der Kommunikation einlassen kann. Nur wenn sich die Familienmitglieder sicher fühlen, sich zeigen zu können, können sie sich kommunikativ neu begegnen und verstehen.

„Der Sohn machte seinem Vater klar, wie es sich anfühlt“

Carola Jungwirth: Kannst du das vielleicht noch einmal an einem Beispiel verdeutlichen?

Susanne Dahncke: Ja gerne. Stell Dir folgende Situation vor: Vater und Sohn.

Sie hatten ganz viele Dinge zu besprechen. Nur miteinander kommuniziert haben sie nicht. Zu Beginn unserer Arbeit landeten die beiden immer wieder in Vorwürfen und gegenseitigen Beschuldigungen, bis hin zum Türen zuschlagen. Durch das Coaching und das Training ist ihnen bewusst geworden, was sie immer wieder tun und wie sie sich verhalten. Und wie es zu diesen Mustern kommt. Inzwischen nehmen sie sich insbesondere für schwierige Themen vor, sehr bewusst zu kommunizieren: Der Sohn machte seinem Vater klar, wie es sich anfühlt, wenn dieser ihm vor seinem Team das Wort abschneidet. Er fühlte sich in der Situation wie ein kleiner Junge und hatte einfach den Raum verlassen. Dabei hatte er doch das Bedürfnis, als Abteilungsleiter von seinem Vater und den Mitarbeitern anerkannt zu werden. Es gelang ihm, den Wunsch zu äußern, die Aufgaben klar untereinander aufzuteilen und autark zu erledigen. Das hat er dann gemeinsam mit dem Senior-Unternehmer – seinem Vater – umgesetzt und die Kommunikation – und das Leben – wurde leichter.

Carola Jungwirth: Das sind sehr passende Beispiele für das aktive Zuhören. Kannst du zum Schluss bitte noch einmal erläutern, was es mit dem Satz „Man kann nicht nicht kommunizieren“ auf sich hat, insbesondere im familienunternehmerischen Kontext?

Susanne Dahncke: Ja gerne. Dafür noch einmal zurück zu unserem Beispiel: Der Sohn hatte bei dem Treffen im Unternehmen, als ihm der Vater das Wort abgeschnitten hatte, gar nicht reagiert und hatte ja einfach den Raum verlassen. Er hat zwar nicht gesprochen, aber er hat natürlich sehr eindeutig kommuniziert. Insbesondere zu den anwesenden Mitarbeitern, die mit der Situation und daraus resultierenden Fragen allein gelassen wurden. So werden sich die Mitarbeiter gefragt haben, ob der Sohn mit so einem Verhalten überhaupt imstande ist, sie zu führen. Trotz Schweigen hat also eine eindeutige Kommunikation stattgefunden.

Carola Jungwirth: Vielen Dank liebe Susanne für diesen informativen Austausch. Ich nehme mit, dass die Fähigkeit der Dialogkompetenz der Schlüssel für ein konstruktives Miteinander ist.

 

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