Generationenübergreifende Familienunternehmen nehmen in unserer Wirtschaft eine besondere Stellung ein. Über mehrere Generationen hinweg haben sie verschiedene wirtschaftliche und soziale Herausforderungen bewältigt. Und sie haben bewiesen, dass sie die Komplexität ihrer ganz persönlichen Familiendynamiken stets aufs Neue meistern konnten, um das Unternehmen in die Zukunft zu führen.

Offensichtlich setzen sie das Denken in Generationen in Quartalszahlen besonders gut um. Dennoch stehen sie auch vor großen Herausforderungen: Wie lassen sich auch weitere Generationen für das Familienunternehmen begeistern?

Das Geheimnis des Erfolgs von Mehrgenerationen-Familienunternehmen

Die wirtschaftliche Bedeutung von Familienunternehmen ist unumstritten. Gemäß den Statistiken der Stiftung für Familienunternehmen handelt es sich bei ca. 90 Prozent von ihnen um familienkontrollierte Unternehmen. Sie erzielen 55 Prozent der bundesweiten Umsätze und stellen ca. 57 Prozent aller sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse in Deutschland.

Ihre Langlebigkeit liegt in der besonderen Kombination der folgenden fünf Merkmale begründet:

1. Gemeinsame Werte und Visionen

Einer der Hauptgründe für den Erfolg von Mehrgenerationen-Familienunternehmen sind die gemeinsamen Werte und Visionen ihrer Familienmitglieder. Im Gegensatz zu Unternehmen, deren Ausrichtung sich kurz- und mittelfristig ändern, verfolgen Mehrgenerationen-Familienunternehmen oft eine langfristige Perspektive, die über eine unmittelbare finanzielle Gewinnerzielung hinausgeht.

Diese gemeinsame Vision fördert Stabilität und Zielklarheit, lenkt die Entscheidungen der internen und externen Geschäftsführung und sorgt dafür, dass das Unternehmen seinen Wurzeln treu bleibt.

Unternehmenswerte wie:

  • Verbindlichkeit, Zuverlässigkeit
  • Verantwortungsbewusstsein
  • Nachhaltiges Wirtschaften
  • Qualität
  • Unabhängigkeit
  • Zusammenhalt

zeichnen insbesondere Mehrgenerationen-Familienunternehmen aus. Völlig unabhängig von ihrer Firmengröße finden sich diese und ähnliche Werte in vielen Firmenphilosophien wieder, wie zum Beispiel bei Otto Group, Fissler, Krieger Pharma, Miele, Anhalt Logistics.

2. Starke Beziehungen, die über das Geschäftliche hinausgehen

In Mehrgenerationen-Familienunternehmen spielen langanhaltende Verbindungen sowohl im familiären als auch im unternehmerischen Bereich eine wichtige Rolle. Die über Generationen geknüpften Bindungen schaffen ein starkes Vertrauensgefühl unter den Familienmitgliedern, das sich in einem hohen Maß an Engagement für den Erfolg des Unternehmens niederschlagen kann.

Auch die Mitarbeitenden profitieren von diesem Vertrauen, da sie sich als Teil einer größeren, familienähnlichen Gemeinschaft sehen. Das fördert das Zugehörigkeitsgefühl und das Commitment an die langfristigen Ziele des Unternehmens.

3. Ein großer Erfahrungsschatz

Generationenübergreifende Familienunternehmen verfügen über einen einzigartigen Wissens- und Kompetenzvorteil. Mit jeder Generation werden wertvolle Erkenntnisse, Fähigkeiten und branchenspezifisches Wissen weitergegeben. Dieses gesammelte Wissen und diese Erfahrung können bei der Bewältigung von Herausforderungen und der Identifizierung von Chancen von großem Nutzen sein. Dieser Erfahrungsschatz reicht von alten Familienrezepten über Patente und angemeldeten Marken zu uneinholbaren Branchenkenntnissen.

4. Anpassungsfähigkeit

Familienunternehmen haben sich in der Vergangenheit gerade in schwierigen wirtschaftlichen Zeiten durch ein hohes Maß an Anpassungsfähigkeit ausgezeichnet: Das berühmte Rückgrat der deutschen Wirtschaft kann Krisen bewältigen. Das wurde gerade wieder in der Pandemie-Zeit deutlich.

Familienunternehmen verfügen über die Flexibilität, Veränderungen anzunehmen und gleichzeitig die Grundwerte und Traditionen zu bewahren, die ihre Identität definieren.

5. Bewusstsein für die Familiengeschichte

Ein Mehrgenerationen-Familienunternehmen kann seine Langlebigkeit besonders zielführend einsetzen, wenn es über eine entsprechende Chronik verfügt. Das Dokumentieren der Familiengeschichte ist wichtig, damit zukünftige Generationen Zugang zu den wertvollen Erfahrungen und Informationen ihrer Vorfahren bekommen können.

Das setzen gerade die Mehrgenerationen-Familienunternehmen bereits gut um. So verfügen die meisten dieser Unternehmen über einen expliziten Abschnitt auf ihrer Website zum Thema “Unternehmenshistorie”, in dem über den bisherigen Werdegang ihrer Firma berichten. Solche Webseiten helfen auch den Familienmitgliedern, sich mit dem Familienunternehmen auseinanderzusetzen und identifizieren zu können.

Aber: Weniger als jedes 3. Familienunternehmen schafft den Sprung in die 3. Generation – woran liegt das?

In ca. 190.000 Familienunternehmen steht bis 2026 die Regelung der Nachfolge konkret an. Die Zahlen belegen, wie groß die Herausforderung eines Generationswechsels ist. Das Ifo-Institut geht aufgrund seiner Umfragen davon aus, dass sich fast die Hälfte der Familienunternehmen in Deutschland in der zweiten und dritten Generation befinden. Rund ein Fünftel schafft es darüber hinaus. Stolze 5 Prozent ihrer Datenbank sind vor 1900 gegründet worden, weitere 10 Prozent in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts.

So gelingt der Gründergeneration nur in gut 50 Prozent der Fälle eine Übertragung an die zweite Generation, in die dritte Generation schaffen es nur noch 32 Prozent und in der vierten Generation bleiben nur noch 16 Prozent der Betriebe übrig. Mögliche Ursachen reichen von ungenügender Nachfolgeplanung bis hin zu einem Wandel im wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Umfeld. Im Einzelnen:

Mehrgenerationen-Familienunternehmen: jede nachfolgende Generation kommt mit neuen Werten

Erkenntnisreich ist in diesem Zusammenhang eine Studie des EMF-Instituts, welche die Wertestruktur der aktuellen und der potenziell zukünftigen Unternehmergeneration analysiert hat. Dabei wurde untersucht, ob und inwiefern die heutige und die künftige Unternehmergeneration ähnliche Wertvorstellungen haben.

Zusammenfassend war zu erkennen, dass es sowohl ähnliche als auch unterschiedliche Verständnisse zwischen den Generationen gibt. So wurden die Werte Genussfreude und Kontakte von potenziell Nachfolgenden als besonders wichtig eingestuft, während aktuelle Unternehmer und Unternehmerinnen vor allem Werte wie Ausdauer und Zusammenarbeit favorisierten.

Gemeinsam war beiden Gruppen der Wert Familienleben sehr wichtig. Wobei auffallend ist, dass jüngere Befragte, die sich eine Unternehmensnachfolge vorstellen können, mehr Wert auf Freizeitvergnügen sowie Familienleben legen als heutige Unternehmer und Unternehmerinnen. Dies deutet darauf hin, dass die zukünftige Generation andere Lebensentwürfe realisieren möchte. Größere Unterschiede gab es laut der Studie in den Werten Durchsetzungskraft, Empathie und Sicherheit.

Auswirkungen des Wertewandels auf die Nachfolgesituation

Die Veränderung der Wertestruktur wird nach Einschätzung des EMF-Instituts voraussichtlich einen relevanten Einfluss auf die Form und Dauer von Unternehmertum haben. Ich teile diese Auffassung.

Vorstellbar seien beispielsweise geteilte Führungsstellen, um erstens dem zu erwartenden höheren Workload und zweitens der zunehmenden Komplexität der Aufgaben optimal begegnen zu können. Gleichzeitig soll dies mehr Zeit für die Familien- und Freizeitgestaltung erlauben. Ebenso sei denkbar, dass die Verweildauer eines Unternehmers oder einer Unternehmerin im Unternehmen von derzeit durchschnittlich über 20 Jahren abnehme, weil die nächste Generation mehrere unterschiedliche Stationen in ihrer beruflichen Laufbahn realisieren oder diese zeitweise unterbrechen will.

Dieser generationsbedingte Wertewandel wirkt sich auf die gesamte Unternehmenskultur eines Familienunternehmens aus. Gerade in inhabergeführten Unternehmen haben Wertvorstellungen maßgeblichen Einfluss auf die Unternehmenskultur. Denn eine Unternehmenskultur wächst mit der Gründergeneration über Jahre heran. Sie spiegelt die Werte der Eigentümer wider.

Der Generationswechsel ist somit auch ein Treiber für die Änderung der Unternehmenskultur, wenn im Rahmen der Nachfolge abweichende Wertvorstellungen aufeinandertreffen

Lösungsvorschläge für die Gestaltung Ihrer Nachfolge

1. Besinnen Sie sich auf die Stärken der Mehrgenerationen-Familienunternehmen

Familienunternehmen weisen aufgrund ihrer DNA die größte Resilienz gegen die wirtschaftlichen und politischen Herausforderungen dieser Zeit auf. Das bietet auch den nachfolgenden Generationen ein beständigeres Arbeitsumfeld als in vielen anderen Unternehmen.

2. Bauen Sie auf den gemeinsamen Werten auf

Trotz sich wandelnder Werte schafft das Erkennen und Berufen auf gemeinsame Wertvorstellungen Vertrauen zwischen den Generationen. Dies ist eine gute Grundlage, um die Nachfolge in einem Mehrgenerationen-Familienunternehmen mit einem übereinstimmenden Grundgerüst anzugehen.

3. Integrieren Sie den Wertewandel in Ihren Nachfolgeprozess

Die sich verändernden Werte schaffen mehr denn je die Notwendigkeit für eine erfolgreiche Unternehmensübergabe, eine offene und ehrliche Kommunikation zwischen den Übergebenden und den Nachfolgenden zu pflegen.

Wenn unterschiedliche Erwartungen, Vorstellungen und Werte ersichtlich sind, sollte ein transparenter Austausch erst recht fester Bestandteil der Regelung der Nachfolge werden. Je nach Größe des Mehrgenerationen-Familienunternehmens werden dafür unterschiedliche Instrumente eingesetzt.

4. Nachfolge-Fahrplan für kleinere Mehrgenerationen-Familienunternehmen

In kleineren Familienunternehmen lässt sich mit der strukturierten und systematischen Erstellen eines Nachfolgefahrplans erarbeiten, was sowohl aus Sicht der Nachfolgenden als auch aus Sicht der Abgebenden wichtig ist, um die jeweiligen Anliegen zu klären.

Erforderliche Kompetenzen, gegenseitige Erwartungshaltungen, Lebensplanungen und das Abstimmen einer gemeinsamen Ausrichtung für die Unternehmenszukunft sollten beispielsweise Bestandteil dieser professionellen Nachfolgeplanung sein, um den Familienfrieden zu wahren und das Unternehmen sicher in die Zukunft zu führen.

Dieses Instrument ist besonders für Familienunternehmen geeignet, die von Familienmitgliedern operativ geführt werden und/ oder eine geringe Anzahl an Familiengesellschafter haben.

5. Familienverfassung für größere Mehrgenerationen-Familienunternehmen

Größere Familienunternehmen zeichnen sich in diesem Zusammenhang nicht durch ihren Umsatz, sondern durch die Anzahl der Generationen bzw. die Größe des Gesellschafterkreises aus. Der Schwerpunkt des Handelns als Unternehmerfamilie liegt weniger in ihrem operativen Wirken, sondern in ihrem Agieren als Eigentümerfamilie.

Eine Familienverfassung (oder auch Familiencharta) ist ein Regelkodex, mit dem die Eigentümerfamilie ihre Werte, Visionen, Ziele und Rollen als Unternehmerfamilie definiert. Dieses Regelwerk gilt sowohl als Leitfaden für das Miteinander der Unternehmerfamilie als auch als Grundlage für die wesentlichen professionellen Entscheidungen des Familienunternehmens.

Um die Kontinuität des Unternehmens zu sichern, sollten auch die Rahmenbedingungen für eine Nachfolge in einer Familienverfassung festgeschrieben werden. Gemeinsam ist allen Inhalten einer Familienverfassung, dass sie eine generationsübergreifende Wertediskussion erfordern. Damit schaffen Sie eine Plattform, so dass sich auch noch die nächste Generation mit Ihrem Familienunternehmen identifizieren kann.

Fazit: Mehrgenerationen-Familienunternehmen

Die Erfolgsrezepte der Mehrgenerationen-Familienunternehmen zeigen sich vor allem in schwierigen Zeiten. Neben dem demografischen Wandeln und den wachsenden wirtschaftlichen und politischen Herausforderungen sind es vor allem die sich verändernden Wertvorstellungen zwischen den Generationen, welche eine große Aufgabe für den Fortbestand von Mehrgenerationen-Familienunternehmen darstellen.

Während Unternehmerfamilien nur bedingt Einfluss auf wirtschaftliche und politische Rahmenbedingungen ausüben können, können sie jedoch die Zukunft ihres Unternehmens mittels generationsübergreifender Werteverständnisse selbst absichern. Dazu empfiehlt sich das Erstellen eines professionellen Nachfolgefahrplans oder einer Familienverfassung.

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