Der Generationswechsel im Familienunternehmens wird häufig durch die Steuerberatung eingeleitet. Aber ist das auch gut so?

Ein typischer Vorschlag ist, aus Gründen der Steueroptimierung frühzeitig die Anteile an die eigenen Kinder zu übertragen. Der Hintergrund dafür sind die schenkungsteuerlichen Freibeträge für Familienmitglieder und der Wunsch, die Zehnjahresfristen möglichst oft zu nutzen.

So war es auch bei einem familiengeführten Unternehmen aus Hessen. Dort lag ein fertig ausgearbeitetes Konzept zur Steueroptimierung vor. Mit diesem Konzept wollte die Inhaberfamilie den Nachfolgeprozess einleiten und beschleunigen. Das Papier sah vor, zeitnah Anteile des Unternehmens auf die drei Töchter zu übertragen Das sollte zur Steueroptimierung so geschehen. Unberücksichtigt blieb bei dem Übertragungskonzept, dass sich nur – wenn überhaupt – die mittlere und die jüngere Tochter für die Nachfolge im Familienunternehmen interessierten.

In den Gesprächen mit dem inhabenden Unternehmerehepaar stellte sich heraus, dass diese noch gar keine Pläne hatten, wann und wie sie sich aus der operativen Geschäftsführung zurückziehen wollten. Sie waren vor allem motiviert, möglichst oft in den Genuss der schenkungssteuerlichen Freibeträge zu kommen, und so frühzeitig mit dem Übertragen von Unternehmensanteilen auf alle Kinder zu beginnen. Zugleich hatten sie sich aber noch keine Gedanken darüber gemacht, wie die endgültige Anteilsverteilung im Unternehmen zwischen ihren Kindern aussehen sollte.

Entsprechend viele Fragen waren daher noch unbeantwortet: Wer soll wie viele Anteile bekommen? Sind diese Anteile an ein operatives Mitwirken im Unternehmen gebunden? Was ist, wenn die zwei interessierten Töchter tatsächlich im Unternehmen tätig werden? Wie sollen die Anteile dann verteilt werden, welche Rolle würde dann die dritte Tochter spielen? 

Ein Nachfolgeprozess ist ein komplexer Prozess, in dem rechtliche, steuerliche, finanzielle und persönliche Aspekte zu berücksichtigen sind. Meine Erfahrung ist: Dieser Prozess verläuft unausgewogen, wenn sich die Beteiligten zu einseitig auf einen dieser Aspekte fokussieren. Ein “entweder-oder” führt selten zu einem langfristig erfolgreichen Generationswechsel im Familienunternehmen. Mehr Erfolg verspricht, gemeinsam mit allen Fachberatungen eine “sowohl-als-auch”-Lösung zu finden. 

So gingen wir auch in diesem Fall vor. Ein gemeinsamer Termin mit der Steuerberatung führte zu einem gemeinsamen Verständnis: Bevor Unternehmensanteile an die Kinder übertragen werden, sollte zunächst ein ganzheitliches Nachfolgekonzept erarbeitet werden. Dafür spielen Steuern und deren finanzielle Belastungen für das Unternehmen und seine Zukunftsfähigkeit selbstverständlich eine bedeutende Rolle. Doch es kann teurer kommen, wenn frühzeitige Übertragungen später korrigiert werden müssen. Übertragungen, die ausschließlich der Steueroptimierung dienen, können zudem den Familienfrieden gefährden, insbesondere dann, wenn sie Fragen nach der gefühlten Gerechtigkeit der Anteilsverteilungen ignorieren – diese aber früher oder später von den Kindern gestellt werden, sobald sie beginnen, sich mit dem Generationswechsel im Unternehmen zu beschäftigen.

Ebenso problematisch kann es sein, Anteile rein aus steuerlichen Gründen an die Kinder zu übertragen, ohne diese zugleich auf ihre Rolle als Mitinhaber vorzubereiten. Denn die Konsequenz dieses Schrittes ist: Im obersten Entscheidungsgremium des Familienunternehmens sitzen plötzlich Gesellschafter oder Gesellschafterinnen, denen wichtige Kompetenzen fehlen, um ihre Aufgabe als Kontroll- und Beratungsorgan wahrzunehmen. – Das ist ein potenzielles Risiko für die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens insgesamt. .

Im konkreten Fall berechnete die Familie auf der einen Seite die konkrete Steuerersparnis durch eine frühzeitige Übertragung. Dem stellte sie die nun bekannten Risiken der vorzeitigen Übertragung gegenüber. Das Ergebnis: Die Unternehmerfamilie entschied sich dafür, das geringere Einsparpotenzial einer späteren Übertragung zugunsten eines mit allen Familienmitgliedern abgestimmten Nachfolgekonzeptes bewusst in Kauf zu nehmen. Weil das die Chance auf einen konfliktfreien, ganzheitlich konzipierten Generationswechsel im Familienunternehmen entscheidend erhöhte. 

Wichtig:

  • Bevor Unternehmensanteile an die eigenen Kinder übertragen werden, sollte ein ganzheitliches Nachfolgekonzept erarbeitet werden.
  • Es lohnt sich auszurechnen, welcher Betrag genau im Falle von steueroptimierten Anteilsübertragungen gespart wird. Und dann die Frage zu stellen: Wie steht dieser Betrag im Verhältnis zu den Risiken, die mit einer frühzeitigen Übertragung einhergehen? 

 

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