Familienunternehmen sehen sich einer zunehmenden Komplexität in ihrem unternehmerischen Alltag ausgesetzt. Deswegen wächst die Bedeutung von Aufsichtsrat und Beirat in Familienunternehmen. Lesen Sie hier, was die Aufgaben dieser Gremien sind und wie man für sie die richtige Besetzung findet.
Ob es um die Digitalisierung, neue nationale und internationale Auflagen, Steuergesetze oder einen wachsenden Gesellschafterkreis geht – immer mehr Fachwissen wird benötigt, um das eigene Unternehmen sicher in die Zukunft führen zu können.
Wer diese Komplexität meistern und von ihr auch profitieren will, benötigt professionelle und unabhängige Sparringspartner auf Augenhöhe. Hier kommen Aufsichtsrat oder Beirat ins Spiel.
Welche Aufgaben hat ein Beirat oder Aufsichtsrat?
Beirat oder Aufsichtsrat agieren grundsätzlich als Kontroll- und Beratungsorgan. Seine Aufgaben, Befugnisse und dessen Grenzen werden in der Regel per Beschluss der Gesellschafterversammlung festgesetzt oder sind im Gesellschaftsvertrag manifestiert.
Es macht Sinn, dem Gremium im Gesellschaftsvertrag konkrete Aufgaben und Rechte zuzuweisen, damit es entsprechend handeln kann. Dazu gehören Informations- und Einsichtsrechte sowie eventuelle Genehmigungsvorbehalte des Gremiums für grundlegende Unternehmensentscheidungen.
Verfügt das Gremium über keinerlei Möglichkeiten, seine Entscheidungen im Unternehmen auch umgesetzt zu bekommen und agiert es nur als „stumpfes Schwert“, wird es kaum gelingen, kompetente Mitglieder für den Beirat oder den Aufsichtsrat zu gewinnen. Deswegen sollten dessen Befugnisse transparent sein. Auch die Dauer einer Mandatsperiode sowie Regelungen zur Be- und Abberufung der Mitglieder sollte klar geregelt sein.
Die Rolle von Beirat oder Aufsichtsrat ist variabel
Welche Aufgaben der Beirat oder der Aufsichtsrat eines Familienunternehmens genau erfüllen sollen, hängt auch von der Konstellation des Unternehmens ab:
- Geht es vorrangig darum, der (eventuell noch jungen) Geschäftsführung als fachliches Sparring zur Seite zu stehen und externes Know-how zu nutzen?
- Ist es seine Hauptaufgabe, die (Fremd-)Geschäftsführung zu kontrollieren?
- Soll der Beirat oder Aufsichtsrat vor allem als Verbindungsglied zwischen Unternehmen und Gesellschafterkreis fungieren?
- Geht es um strategische Fragen, Risikominimierung durch das Gremium?
- Oder ist es Aufgabe des Beirats oder Aufsichtsrats, bei einer möglichen Pattsituation in der operativen Führung die Handlungsfähigkeit des Unternehmens zu sichern?
Wichtig ist in diesem Zusammenhang, die Aufgaben und Kompetenzen des Aufsichtsrats oder Beirats klar von den Zuständigkeiten der Geschäftsführung oder der Gesellschafterversammlung abzugrenzen, so dass es nicht zu Unstimmigkeiten kommen kann. Auch deswegen ist es empfehlenswert, die Aufgaben der Gremien so konkret wie möglich zu benennen.
Die Mitglieder eines Beirats oder Aufsichtsrats sollten passend zu den vorrangigen Aufgaben des Gremiums ausgesucht werden. In der Regel empfiehlt sich eine Mischung aus Männern und Frauen, die eine gewisse Berufs- und Lebenserfahrung mitbringen.
Das heißt nicht, dass ein Beirats- oder Aufsichtsratsmandat erst ab dem 65. Lebensjahr in Frage kommt. Ganz im Gegenteil. Einer aktuellen Studie der INTES Akademie für Familienunternehmen zufolge liegt die Altersstruktur zwar bei 46% der befragten Familienunternehmen bei 70 Jahren. Doch viele Familienunternehmen planen genau deswegen eine Verjüngung und Neuausrichtung.
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Das Alter von Mitgliedern im Aufsichtsrat oder Beirat von Familienmitgliedern sollte sich verjüngen.
Über welche Kompetenzen sollten Mitglieder eines Beirats oder Aufsichtsrats verfügen?
Wichtig ist,
dass die Gremiumsmitglieder über eine erforderliche Kompetenz verfügen.
- Anders als bei reinen kapitalmarktorientierten Unternehmen sind im Beirat oder Aufsichtsrat eines Familienunternehmens nicht nur reine Fachkompetenzen für ein Mandat erforderlich, sondern auch ein gewisses Standing als Persönlichkeit. Denn nicht selten geht es als Gremium darum, einen Konflikt innerhalb des Familienunternehmens aufzulösen oder zwischen streitenden Parteien zu vermitteln.
Wichtig ist,
dass sie ein grundsätzliches Verständnis für Familienunternehmen mitbringen.
- Familienunternehmen weisen gegenüber reinen Kapitalmarktunternehmen einige Besonderheiten auf. Das ergibt sich bereits aus der vorhandenen Gemengelage von Familie und Unternehmen, die auf verschiedene Weise die Entscheidungsfindung in Familienunternehmen beeinflussen kann. Wer sich dessen nicht bewusst ist, wird es in diesem System schwer haben. Gleichwohl kann gerade der Blick von außen dem Familienunternehmen helfen, zu professionellere Entscheidungen zu finden.
Wichtig ist,
dass sie unabhängig in ihrer Entscheidungsfindung sind.
- Sollte die Gefahr eines Interessenkonfliktes bestehen, scheidet die Person als Kandidat grundsätzlich aus. Das kann beispielsweise beim Unternehmensanwalt, der Steuerberatung oder der Finanzberaterin sowie sonstigen Geschäftspartnern des Unternehmens der Fall sein. Gleiches gilt natürlich für Familienmitglieder, die im Beirat oder Aufsichtsrat ihre Interessen vertreten wollen.
Die Rollen von Beirat/Aufsichtsrat bei der Nachfolgeregelung
Der Aufsichtsrat oder Beirat kann insbesondere bei der Regelung der Nachfolge in Familienunternehmen eine bedeutende Rolle im Familienunternehmen einnehmen.
Das gilt insbesondere für die ersten, oft emotional besetzten Schritte eines Nachfolgeprozesses:
- Wer sagt zum Beispiel dem Senior oder der Seniorin, dass die Zeit gekommen ist, um den Staffelstab zu übergeben?
- Oder wer sagt den Nachfolgekandidaten aus dem Familienkreis, wer von ihnen der geeignetste Anwärter oder die geeignetste Anwärterin ist?
Wohl kaum jemand aus dem familiären Gesellschafterkreis würde diese Angelegenheit gerne übernehmen. Da kann es helfen, für diese Aufgabe, ein Mitglied aus dem Aufsichtsrat oder Beirat mit ins Boot zu holen.
Weitere Aufgaben im Rahmen der Nachfolge
Im weiteren Prozessverlauf bieten sich weitere wichtige Aufgaben an, mit denen ein Aufsichtsrat oder ein Beirat die Regelung der Nachfolge unterstützen kann:
- Kontroll- und Beratungsfunktion: Der Aufsichtsrat oder Beirat hat eine Überwachungsfunktion und kann durch diese Rolle wertvolle Impulse aus einer Meta-Ebene für die Nachfolgeplanung geben.
- Erfahrung und Know-how: Mitglieder des Aufsichtsrats oder des Beirats bringen in der Regel umfangreiche Führungserfahrungen und Fachwissen mit, die bei der Planung und Umsetzung der Nachfolge von großem Vorteil sein können.
- Unterstützung der NextGen: Das Gremium kann die nächste Generation während des Übergangsprozesses unterstützen, indem er ihnen Mentoring oder Sparring anbietet.
- Konflikte und Machtkämpfe: In einigen Fällen kann der Aufsichtsrat oder Beirat Konflikte klären, die zwischen verschiedenen Interessen innerhalb der Unternehmerfamilie entstehen.
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Wie setzt sich ein Beirat/Aufsichtsrat zusammen?
Grundsätzlich gibt es für einen Beirat keine definierten Vorgaben hinsichtlich seiner Zusammensetzung.
Nur für bestimmte Aufsichtsgremien gibt es gesetzliche Vorgaben hinsichtlich ihrer Größe.
Das ist der Fall,
- wenn das Unternehmen im Rahmen des Aktienrechts agiert.
- wenn das Unternehmen eine gewisse Mitarbeiterzahl überschreitet:
- Bei mehr als 500 Arbeitnehmende in Deutschland, nach dem DrittelbetG bei GmbHs.
- Bei mehr als 2.000 Arbeitnehmende in Deutschland, nach dem MitbestG.
Ansonsten gibt es keine konkreten Vorgaben für die Mitgliederzahl eines Beirats oder Aufsichtsrats. Der Empfehlung von Prof. Peter May, „so klein wie möglich, und so groß wie nötig“, folge ich an dieser Stelle gerne. Die Größe des Gremiums hängt letztendlich von der Größe des Unternehmens und den dem Beirat oder Aufsichtsrat übertragenen Aufgaben gab.
In der Praxis hat sich eine Mitgliederzahl von drei oder fünf Personen bewährt. Es empfiehlt sich, das Gremium mit einer ungeraden Mitgliederzahl zu besetzen, um Pattsituationen in Abstimmungsszenarien zu vermeiden.
Wird ein Mandat im Beirat oder Aufsichtsrat vergütet?
In der Regel ja. Oft wird hier noch von einer Aufwandsentschädigung gesprochen. Mit zunehmender Größe des Unternehmens und wachsender Komplexität der Aufgaben steigen auch die Vergütungen für die Mitglieder des Beirats oder Aufsichtsrats.
Häufig wird der tatsächliche Zeitaufwand für eine Mandatstätigkeit unterschätzt. Die Vermutung ein Zusatzeinkommen allein mit dem Absolvieren von vier Quartalsterminen zu erlangen, ist nicht mehr zeitgerecht. Die steigenden Anforderungen spiegeln sich auch im größeren Arbeitspensum für die Gremien wider.
Haftung der Mitglieder eines Beirats oder Aufsichtsrats
Die Haftungsfälle von Aufsichts- oder Beiräten haben in den letzten Jahren merklich zugenommen. Ein potenzielles Beiratsmitglied sollte daher unbedingt wissen, dass es bei der Verletzung seiner Sorgfaltspflicht unbegrenzt haftet – nach den gleichen Vorgaben, wie ein Mitglied eines gesetzlich vorgesehenen Aufsichtsrates.
Mit einem solchen Damoklesschwert über den Gremien werden sich natürlich nur schwer Freiwillige für ein solches Mandat finden lassen. Familienunternehmen sollten daher bei der Suche nach Mitgliedern von vornherein die Haftung des Aufsichtsrates oder Beirates auf grobe Fahrlässigkeit beschränken und/oder auf den Abschluss einer entsprechenden Directors & Officers-Versicherung hinwirken.
Welche Konsequenzen ergeben sich hieraus für die Mitglieder eines Beirats?
Zunächst haften diese – ebenso wie die Mitglieder eines gesetzlichen Aufsichtsrats – bei Verletzung ihrer Sorgfaltspflicht persönlich mit ihrem gesamten Vermögen. Dies bedeutet aber, dass eine Unternehmerfamilie nur schwer Mitglieder für ihren Beirat finden wird, wenn sie diese Gefahr nicht auf ein erträgliches Maß reduziert. Dies wiederum ist entweder über eine vertragliche Beschränkung der Haftung auf grobe Fahrlässigkeit und/oder durch den Abschluss einer entsprechenden D&O-Versicherung möglich.
![Die Bedeutung von Aufsichtsrat und Beirat in Familienunternehmen wächst.](https://jungwirth-nachfolgeberatung.de/wp-content/uploads/2024/07/aufsichtsrat-600x400.jpg)
Die Bedeutung von Aufsichtsrat und Beirat in Familienunternehmen wächst.
Tipps für Einsteigende in einen Beirat oder Aufsichtsrat
Ein entscheidender Faktor vorweg:
Für ein Beirats- oder Aufsichtsratsmandant kann man sich nicht bewerben.
→ In der Regel wird man durch einen Vertreter oder eine Vertreterin des Familienunternehmens angesprochen. In größeren Unternehmen kann das auch durch eine externe Beratung geschehen.
Auf ein Mandat in einem Beirat oder Aufsichtsrat lässt sich daher nur bedingt vorbereiten.
→ Es hilft, sich die eigenen fachlichen und persönlichen Kompetenzen einmal durch die Brille eines Familienunternehmens zu betrachten: „Warum sollte das Unternehmen gerade mich in seinen Beirat oder Aufsichtsrat holen wollen? Welche speziellen Kompetenzen bringe ich aufgrund meiner Vita für eine Tätigkeit in einem Kontrollgremium mit?“
Immer mehr Unternehmensberatungen verfügen über eine Art „Bewerber-Pool“. Auch hierfür kann man sich in der Regel nicht bewerben.
→ Statt dessen wird man seitens der Beratung angesprochen, ob man sich eine Gremiumstätigkeit grundsätzlich vorstellen kann. Werden die Beratungen von Familienunternehmen bei der Auswahl ihrer Gremiumsmitglieder zu Rate gezogen, ist das eine gute Möglichkeit für beide Seiten, den Kandidaten- und Kandidatinnenkreis bereits eingegrenzt zu haben.
Eigenes Networking ist ansonsten die beste Möglichkeit, um auf sich als potenzielles Gremiumsmitglied aufmerksam zu machen.
→ Am Ende des Tages kommt es auch hier auf die persönliche Passung für beide Seiten an.
Wer mehr über den aktuellen Stand von Gesetzgebung und Rechtsprechung zum Beirat und Aufsichtsrat erfahren möchte, empfehle ich das Handbuch Beirat und Aufsichtsrat im Familienunternehmen aus dem C.H.Beck-Verlag.
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